PSYCHOLOGIE: "DAS TRIGGERT MICH": WARUM WIR DIESEN SATZ NICHT SAGEN SOLLTEN

In den Sozialen Medien ist derzeit gefühlt jeder von etwas "getriggert". Dabei wird das Wort fast immer im falschen Kontext verwendet. Warum das für Betroffene verletzend ist – und wir dringend damit aufhören sollten, alles zu psychologisieren

Wer dieser Tage in den sozialen Netzwerken unterwegs ist, bekommt den Eindruck, ganz Deutschland sei von etwas "getriggert". Eine junge Frau davon, dass ihre WGler immer das schmutzige Geschirr stehen lassen. Eine andere Mitzwanzigerin berichtet nach einem Date, dass die Art, wie der Typ sein Abendessen gekaut hat, sie "hart getriggert" habe.

Das Wort Trigger wird mittlerweile inflationär genutzt. Meist in Situationen, in denen es überhaupt nicht passt – und in denen die Menschen schlichtweg genervt sind. 

Wer dieses Wort häufig sagt, meint es sicher nicht böse. Doch der übermäßige Gebrauch kann Betroffene, die wirklich unter Triggern leiden, verletzen. Das eigentliche Thema wird dadurch verharmlost, was dazu führt, dass sie weniger ernst genommen werden.

Was "getriggert sein" wirklich bedeutet

Das Wort Trigger wird in der Psychologie verwendet. In Fachkreisen bedeutet „getriggert sein", dass sich Menschen nach einem Traumaerlebnis durch einen Auslöser (in Englisch "Trigger") in den schrecklichen Gefühlszustand von damals zurückversetzt fühlen. Die Folge sind Angst, Panik oder Wut. "Eine solche Erinnerung erfolgt meist plötzlich, wobei die damaligen Gefühle in Form eines Flashbacks ganz intensiv wieder erlebt werden", erklärt Verhaltenstherapeut Sacha Bachim im Gespräch mit GEO. Auch aus diesem Grund erscheint vor dem Vorspann eines Films oder einer Serie manchmal eine Triggerwarnung. Etwa, wenn die Geschichte sexuellen Missbrauch oder eine Vergewaltigung zeigt. 

"Therapy speak" auf Sozialen Medien: Überall toxische Narzissten

In den letzten Jahren sind Psychologie-Themen generell stark in das Bewusstsein der Menschen gerückt. Bücher über den Umgang mit dem "inneren Kind" oder mit Narzissten führen die Bestsellerlisten an. Grundsätzlich ist es natürlich zu begrüßen, dass heute über psychische Probleme viel mehr gesprochen wird als früher. Noch vor 30 Jahren haben es viele geheim gehalten, eine Depression zu haben. Das hat sich durch die Berichterstattung in den Medien stark verändert. 

Das Lesen einiger Artikel oder Bücher macht aber noch keinen Experten aus. Dennoch fühlen sich derzeit viele Laien mit gefährlichem Halbwissen und ohne Psychologiestudium dazu berufen, sich selbst und andere mit vermeintlichen Krankheiten zu diagnostizieren. Durch die Überdiagnose werden normale emotionale Reaktionen pathologisiert. Sehr viele Exfreunde, die mit Influencerinnen Schluss gemacht haben, werden derzeit als Narzissten bezeichnet. 

"Wenn Worte wie 'triggern, toxisch oder narzisstisch' leichtfertig verwendet werden, kann dies dafür sorgen, dass psychische Probleme nicht mehr ernst genommen werden", sagt Sacha Bachim, Autor des Buches "Faktencheck Psyche". Therapiesprache oder "Therapy speak" werde heute inflationär verwendet. "Dadurch werden therapeutische Konzepte banalisiert und die Begriffe verlieren an Bedeutung." Zudem bestehe die Gefahr, dass Betroffene versuchen könnten, sich selbst zu diagnostizieren oder zu behandeln – auch wenn eine professionelle Therapie angebracht wäre.

Alle sind getriggert – Betroffene fühlen sich gekränkt

Vor allem gegenüber Menschen, die unter einer diagnostizierten psychischen Störung leiden, solle "Therapy speak" nicht unreflektiert gebraucht werden.

"Ich fühle mich gekränkt, wenn jemand das Wort triggern in einem banalen Kontext verwendet, da es für mich eine enorme Belastung ist", schreibt eine Betroffene auf Instagram unter einen aufklärenden Beitrag zu dem Thema. Eine andere Frau ist verärgert: "Mich macht es richtig wütend, als Betroffene einer PTBS (posttraumatische Belastungsstörung). Genauso, wie wenn das Wort Trauma oft für alltägliche Situationen benutzt wird, die nichts mit einem Trauma zu tun haben." Eine andere Nutzerin gibt zu bedenken: "Das Wort wird in der Psychologie auch außerhalb des Trauma-Kontextes verwendet. Etwa bei Suchterkrankungen oder Zwangsstörungen."

Auch in diesen Fällen wäre der Gebrauch des Wortes also vollkommen in Ordnung. 

"Das triggert mich": Wann dieser Satz in Beziehungen okay ist

Wie verhält es sich aber mit dem Graubereich? Zum Beispiel, wenn man eine schlimme Beziehung hatte, und das Verhalten des neuen Partners oder der neuen Partnerin ebenfalls zu einer starken Reaktion führt, in der man sich zurückversetzt fühlt in die Vergangenheit?

"Auch wenn in der Psychopathologie unter Traumatisierung meistens außergewöhnlich bedrohliche Erlebnisse zu verstehen sind, können belastende und verletzende Beziehungserfahrungen ähnliche Reaktionen auslösen", erklärt Bachim. 

"Der Begriff passt, wenn ein Verhalten des aktuellen Partners, wie etwa das Heben der Stimme in einem Streitgespräch, eine Person emotional in vergangene Beziehungserfahrungen zurückversetzt, in denen eventuell Traumatisierungen stattgefunden haben", sagt der Psychologe. Betroffene würden sich dann genauso hilflos, verletzt oder panisch fühlen – auch wenn in der aktuellen Beziehung keine Grenzüberschreitungen stattgefunden haben. 

In Beziehungsfragen hat der Begriff also seine Berechtigung, wenn die plötzliche Aktivierung einer Erinnerung zu akutem Leidensdruck führt. Ansonsten sollte auch hier von ihm abgesehen werden.

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